30 JANUAR 2022
Die Wache unter dem grandiosen Sternenzelt ist für uns alle ein ganz grosses Highlight dieser Atlantiküberquerung! Wenn die neue Wache um Mitternacht oder drei Uhr früh übermüdet ins offene Cockpit steigt, entfährt ihr oft ein „Oh, was für ein Sternenhimmel“, „Wow, dieser Sternenteppich“ oder „Unglaublich, diese helle Milchstrasse“.
Unfassbar, wie viele Sterne über uns am Himmel stehen. Die bekannten Sternzeichen sind fast schwieriger auszumachen als zuhause, weil ihre Hauptsterne im Sternenmeer fast untergehen. Die Milchstrasse ein dicht gewobener Sternenteppich; viel breiter als bei uns zuhause, dafür aber mit weniger ausgeprägter Gabelung. Der Himmel auch bei fehlendem Mond deutlich abgehoben vom Horizont. Rundherum. Wir glauben, die Erdrundung sehen zu können, obwohl das ja gar nicht geht. Spielt aber auch keine Rolle, magisch schön und unfassbar ist das Gefühl so oder so, zuoberst auf dem Erdball zu segeln und in die Unendlichkeit zu schauen.
Unsere Augen sind rasch an die Dunkelheit gewöhnt. Keine Lichtverschmutzung bleicht den Nachthimmel. Nur unsere Navigationslichter stören leicht. Aber, da wir alleine da draussen unterwegs sind, können wir diese ja auch mal für eine Weile ausschalten. Dann liegt es sich am besten auf dem Rücken und mit weit aufgesperrten Augen auf den Polstern des Cockpits. Wenn da nur die Yacht etwas weniger schaukeln würde.
Ungewohnt, wie sich Sterne und Planeten am Himmel über uns bewegen. Wir sind viel näher am Äquator, mit 15° Nord rund 32° südlicher als die Schweiz. Deshalb stehen die bekannten Sternzeichen nicht schräg am Himmel wie in der Schweiz, sondern senkrecht über unseren Köpfen. Die Mondsichel sieht aus wie eine offene Silberschale und der Mann im Vollmond war fast nicht erkennbar, da sein Gesicht gekippt auf uns herunterschaute.
Sternschnuppen erfreuen uns, auch wenn sie in diesen Nächten rar sind. Darum ist es um so schöner, dass Françoise ihre ersten Sternschnuppen im Leben sieht. Und zwar gleich drei Stück. Klar, dass diese bei der Wachablösung von Katja auftauchen. Katja zieht solche speziellen Momente an! Delfine tauchen gerne auf ihrer Wache auf, Schiffe kreuzen oft, wenn sie am Steuer steht. Warum also nicht auch die Sternschnuppen
Als weitere spezielle „Katja-Begegnung“ taucht vor zwei Nächten auch unvermittelt die 8 Meter lange Lunar auf. Verrückt, wer diese Passage mit einer so kleinen Yacht wagt. Katja will mehr darüber wissen und ruft Lunar über Funk auf. Etwas verschlafen und knapp kommt die Antwort eines Ruderers, der seit 7 Wochen alleine unterwegs ist. Rowing, rowing, rowing… Auch der Ruderer nervt sich über das laue Atlantikwetter. Uns fehlt der Wind und ihm die Wellen, denn jede hohe Welle würde ihn vorwärts treiben, Meter um Meter in Richtung Karibik.
Nun muss er noch mehr rudern als geplant. Was isst er wohl, um seinen Kalorienverbrauch zu decken? Astronauten-Food aus der Tube oder Büchsenfutter? Nun ja, sicher keine Vanille-Eis Cornets, wie wir aus unserem grossen Tiefkühler. Auch kein Gemüse, Fleisch, Yoghurt, geriebenen Parmesan oder vorgekochte leckere Mahlzeiten, welche Stella, die Frau unseres Wettermanns Marco, zubereitet hat.
Ohne genau zu wissen, wie so eine Übergabe funktionieren könnte, bieten wir dem Ruderer Getränke und Essen an. Zurück kommt jedoch ein knappes „Nein, danke“, dann will er anscheinend wieder seine Ruhe haben und weiterrudern. Muss er auch, ist es für ihn doch bis Antigua noch über eine Woche…
Also zurück zu den Sternen! Einzigartig hell und wie noch nie zuvor so gesehen, leuchten Jupiter am Abend und Venus am Morgen! Wie mit Brillanten geschmückt glitzern die Pleiaden, grimmig funkelt der Kopf des Stiers. Durch keine Berge verdeckt und die ganze Nacht sichtbar das Wintersechseck. Und, erhaben über allem, der grosse Orion mit Pfeilbogen! (Denn unsere fleissig eingesetzte App „Sky Guide“ belehrt uns, dass Orion nicht nur einen Gürtel und Schwert, sondern auch einen Pfeilbogen besitzt. Das wussten wir so nicht zuvor). So lässt sich der Himmel gut beherrschen.
Gegen Ende der Nacht und zum Abschluss dieses Blogs taucht auch noch das Kreuz des Südens auf. Wie ein Jesuskreuz, leicht schräg am Firmament aufgehängt. Gut nachvollziehbar, dass es den Seeleuten des Mittelalters Mut und Zuversicht gab, trotz fehlender Karten und Angst vor Seeungeheuern und Riffen in die dunkle Nacht hinein zu fahren….