
29 JANUAR 2022
Ein Erlebnis der besonderen Art: Vor einer Woche, aus der Sicht des Steuerruder-Teams
Wir sind am Segeln, als sich vor uns eine riesige Gewitterfront aufbaut. Keine Chance irgendwohin auszuweichen, einzige Möglichkeit: wir müssen da durch.
Die Segel werden gestrichen, der Motor geht an.
Gery und ich übernehmen pflichterfüllend unsere Wache um 18.00h, mit bangen Gedanken, denn der Himmel vor uns ist pechschwarz und die ersten Blitze leuchten auf. Ich bewundere Gery, der sich beherzt ans Steuer setzt, obwohl er schon negative Erfahrungen mit Gewittern auf dem Meer gemacht hat. Wahrscheinlich sieht’s in seinem Innern auch anders aus, doch er zeigt es nicht. Ich muss zugeben, es ist beängstigend und ich fühle mich den Naturgewalten sehr ausgesetzt!
Die ganze restliche Crew ist unter Deck, die Luken sind alle dicht, wir zwei ganz allein draußen. Das Ölzeug und die lifevest sind angezogen und es geht los! Unzählige baumdicke Blitze gehen nieder, erhellen den Abend und bald die Nacht taghell. Wir haben vom Captain den Auftrag erhalten, die Sekunden zwischen Blitz und Donner immer abzuzählen und laut durchzugeben, um die Distanz zu eruieren… Auf dem Radar erkennen wir rund um uns herum viele Gewitterzellen, versuchen einen Kurs zu fahren, der uns hoffentlich genau zwischen zwei Zellen durchführen könnte…
Zuerst zählen wir zwischen 10 und 6 Sekunden, doch einige Blitze sind schon in Sekundennähe. Als einer direkt ūber uns ist nieder geht, d.h. Blitz und Donner gleichzeitig sicht-, bzw. hörbar sind, kommt die Mitteilung des Captains: ganze Elektronik wird ausgeschaltet, dies, um einen Totalausfall derselben zu verhindern. Nur noch der Motor läuft. Wir haben auf dem ganzen Schiff kein Licht mehr, auch kein Kompasslicht und Gery navigiert mit der Stirnlampe, die auf den Kompass gerichtet ist. Ich versuche, weiter den Kurs anzugeben, um das Boot zwischen die sich verschiebenden Gewitterzellen hindurch zu schlängeln. In der Zwischenzeit giesst es wie aus Kübeln, der Steuerstand hat sich in eine Badewanne verwandelt, wir sind nass bis auf die Knochen. Wir werden uns immer mehr der Gefahr bewusst, dass wir die Hände am metallenen Steuerrad, eingeklinkt sind mit metallenen Karabinern an metallenen Ösen und die Fūsse im Wasser haben: alles andere als ideal… Gery versucht, wann immer möglich, das Steuerrad nicht zu berühren, indem er das Rad blockiert. Wir können nur hoffen…
Nach ca. einer halben Stunde, die sich angefühlt hat wie eine Ewigkeit, sind wir sehr erleichtert, dass sich die Abstände zwischen Blitz und Donner merklich verlängern, wir haben’s heil überstanden…